Hochwertiger Doppel-Band

Vollständige Ergebnisse auf 800 Seiten

Zwei Jahrzehnte nach dem Erscheinen des Grundlagenwerkes „Die Schmetterlinge Baden-Württembergs“ vermittelt der Doppelband erstmals wieder einen gründlichen Überblick über die aktuelle Bestandsentwicklung der Nachtfalter des südwestdeutschen Bundeslandes.

Während diese Website nur einen stark verkürzten Ausschnitt der Ergebnisse des Monitorings enthält, werden in dem hochwertigen Doppelband alle 25 Untersuchungsgebiete und die Veränderung ihrer Nachtfalter-Fauna anhand zahlreicher Abbildungen, Diagramme und Fotos ausführlich dargestellt. 

Abbildung der stehenden und aufgeschlagenen Doppelbände "Wandel der Nachtfalterfauna Baden-Württembergs seit 1970"

ISBN 9783925631184

Wandel der Nachtfalterfauna Baden-Württembergs seit 1970

Oliver Karbiener & Robert Trusch

Unter Mitarbeit von Ulrike Eberius, Michael Falkenberg, Axel Hofmann, Karl Hofsäss, Jörg-Uwe Meineke, Ulrich Ratzel, Rudolf Schick und Axel Steiner.

2 Bände, 808 Seiten.
Mit 620 Abbildungen, 158 Tabellen, 1 Anlage.

Preis: € 120,- (zzgl. Porto und Versand)

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(buch@multimedia-atelier.de)

Dr. Timm Karisch

Rezension

Dieses Buch sollte einen Platz im Regal von Schmetterlingsliebhabern, Land- und Forstwirten, Naturschutzbehörden, Lehrenden und Hochschulen finden

In den letzten 30 Jahren waren die Entomologen Baden-Württembergs oft, wenngleich natürlich nicht immer, Vorreiter in Sachen Entomofaunistik. Viele Schmetterlingsfreunde werden sich an das Monumentalwerk von Ebert und Mitarbeitern zu den Großschmetterlingen Baden-Württembergs erinnern, welches zwischen 1991 und 2005 erschien. Dieses ist nicht nur ein exaktes Grundlagenwerk zu den Tag- und Nachtfaltern, sondern zugleich eine sehr umfangreiche Sammlungen an Daten zu ihrer Faunistik, ihrer Ökologie und ihren Habitaten.

Datengrundlage
Diese Daten wurden in Baden-Württemberg auch nach der Veröffentlichung des Werkes unter Leitung des Karlsruher Naturkundemuseums weitergesammelt und bildeten nun eine gute Grundlage, um sich mit den Resultaten eines Monitorings von Nachtfaltern in den Jahren 2019 und 2020 auf 25 Meßtischblattquadranten, verteilt quer durch das ‚Ländle‘, der Antwort auf die Frage zu nähern, wie sich denn die Nachtfalterfauna des Bundeslandes seit 1970 gewandelt haben mag.

Besonderer Ansatz
Diesen Ansatz kann man nicht hoch genug wertschätzen, denn das Insektenmonitoring, so es überhaupt stattfindet, ist an vielen Orten in Deutschland vor allem auf artenarme, leicht kenntliche Gruppen beschränkt oder es wird mit einem Meta-Barcoding nur ein qualitativer Ansatz verfolgt. „Nachtfalter“ hingegen sind ziemlich artenreich und phytophag. Damit erscheinen sie per se als sogenannte Indikatoren von Interesse, also Arten, die Veränderungen in Landschaft und Habitaten nachzeichnen können. Zudem sind viele Nachtfalter ausreichend mobil, um in der einen oder anderen Weise auf geänderte klimatische Rahmenbedingungen reagieren zu können.

Entstanden ist ein zweibändiges Werk, welches Günter Ebert gewidmet ist. Die für ‚auswärtige‘ Lepidopterologen interessantesten Teile befinden sich am Anfang von Band 1 sowie als Beilage zu Band 2. Nach einer Einführung in die Methodik und einer Zusammenfassung der Resultate des Monitorings 2019/2020 hinsichtlich der Roten Listen, Individuenzahlen und wertgebenden Arten steht in diesem Werk nämlich die Gesamtauswertung schon am Anfang. So werden hier Entwicklungen zu den Rote-Liste-Arten, den Artenzahlen und -zusammensetzungen sowie Habitatpräferenzen, Arealtypen und Höhenstufenpräferenzen umfassend und sehr detailliert dargestellt.

Erforderliche Abwägungen
Sehr gut gelingt dabei den Autoren die immer wieder erforderliche Abwägung, welche Aussagen nur ein leiser Verdacht sind, wo es starke Indizien gibt oder was mit den vorliegenden Daten aus den verglichenen Zeiträumen von 1970 bis 2000 und 2001 bis 2020 wirklich bewiesen werden kann. Solche Abwägungen sind vor allem immer dann erforderlich, wenn Langzeituntersuchungen nicht dauerhaft, ausfinanziert und damit professionell organisiert werden konnten, sondern auf das mal stärkere, mal schwächere ehrenamtliche Engagement zählen müssen. Jenes ist aber bei den Lepidopterologen Baden-Württembergs überragend und so können die 81.000 Meldungen von 1970–2000 und 51.000 Meldungen von 2001–2020 manche Ungenauigkeit in der Methodik ausgleichen. Für denjenigen, der sich für die Ursachen des Wandels in der Schmetterlingsfauna Baden-Württembergs interessiert, gibt es ein gesondertes Kapitel im ersten Band des Werkes. Das ist aber schon mit „Ursachen für den Rückgang“ und nicht mit „Ursachen für den Wandel“ übertitelt und damit ein deutliches Anzeichen dafür, dass wohl nicht zu viel Positives berichtet wird.

25 Probeflächen
Fast 700 Seiten der beiden Bände nehmen dann die konkreten Untersuchungsergebnisse aus den 25 untersuchten Meßtischblattquadranten ein. Auch hier wird wieder auf Genauigkeit und Ausführlichkeit geachtet. Für jeden Quadranten werden Naturraum und Naturschutzkulisse, Klima und Witterung in den Jahren 2019 und 2020, historische Daten und Informationen zum Monitoring einschließlich der konkreten Standorte und der erfassten Habitate dargestellt. Hierzu dient auch die Gegenüberstellung von Luftbildern aus dem Jahr 1968 mit aktuellen von 2019. Dann folgt natürlich ein Vergleich der Daten zu den Nachtfaltern von 1970 bis 2000 mit jenen von 2001 bis 2020 mit einem Schwerpunkt auf den Resultaten des zweijährigen Monitorings unter verschiedenen Gesichtspunkten (u. a. neu hinzugekommene oder nicht mehr nachgewiesene Arten, veränderte Habitat- und Höhenstufenpräferenzen und Veränderungen in der Faunenzusammensetzung nach Arealtypen). Abgerundet wird alles mit einem kurzen Fazit für den Quadranten.

Ergebnisse in tabellarischer Übersicht
Die schon genannte Beilage zum Werk ist eine umfangreiche Tabelle. Sie enthält das geballte Wissen aus den beiden Bänden und ist für jene, die sich auch außerhalb Baden-Württembergs vergleichenden Studien zur Lepidopterenfauna oder zur Bestandsentwicklung von Schmetterlingen widmen möchten, unverzichtbar. Es sind alle besprochenen Nachtfalterarten in systematischer Reihenfolge gelistet. Zu jeder Art wird die Zahl der besiedelten Meßtischblattquadranten in unterschiedlichen Zeiträumen summiert, woraus sich Trends im Monitoring ergeben. Eine Sisyphusarbeit muss das Zusammentragen der Habitatinformationen der Arten gewesen sein. Für 13 Habitattypen wird für jede Art angegeben, ob sie in diesen regelmäßig anzutreffen ist. Das dient dann im Text dazu, herauszufinden, ob eine bestimmte Spezies eine typische oder Charakterart solcher Habitattypen ist und ob es Änderungen in den Präferenzen gab. Schließlich findet sich eine prozentuale Aufschlüsselung der Funddaten nach Höhenstufen und eine Zuordnung einer jeden Art zu einem Verbreitungsmuster. Mit dieser Tabelle werden alle entsprechenden Ausführungen in den Textbänden nachvollziehbar und mit einigen regionalen Anpassungen sind sie ein gutes Rüstzeug für ähnliche Arbeiten anderswo in Mitteleuropa.

Meilenstein in der Langzeiterfassung von SchmetterlingenMit dem vorgelegten Werk haben die Autoren einen wichtigen Meilenstein in der Langzeiterfassung von Schmetterlingen in Deutschland gesetzt. Sowohl positive als auch negative Bestandstrends werden gleichermaßen beleuchtet. Die Bücher sind reich bebildert und mit vielen Tabellen und Diagrammen versehen, die die Aussagen unterstützen, besser verständlich und anschaulich machen sollen. Das ist meist gelungen. Nur im ersten Teil sind die Balken in Bezug auf die Beschriftungen der x-Achsen etwas verrutscht, was z. T. leicht irritiert. Auch die für Areal- und Habitattypen genutzten, gestaffelten Säulendiagramme erschweren eher eine schnelle Übersicht. Hier hätte eine konventionelle 2-D-Darstellung Vorteile gehabt. Die Diagramme zu den Arealtypen und den Höhenstufen haben nur wenige Säulen, sind aber sehr groß gedruckt. Da der Text zweispaltig ist, hätte hier ein einspaltiger Druck genügt und viele Seiten Papier gespart. Etwas weniger hübsch findet der Rezensent auch die etwas düsteren Luftbildaufnahmen. Weiterhin wäre die Frage zu klären, ob beim Vergleich von Arealtypen, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, nicht etwas mehr herauszuholen gewesen wäre als eine Einstufung in „mediterran“, „kontinental“ und „divers“. Schließlich wäre es von der Gestaltung her noch angenehmer gewesen, wenn in der linken Kopfzeile (running head) noch vermerkt gewesen wäre, welcher Meßtischblattquadrant gerade im Text darunter besprochen wird. Damit wären das Suchen und das Erinnern vereinfacht worden. Das war’s dann aber auch schon, was an Anregungen gegeben werden sollte.

Inhaltlich wurde eine äußerst gehaltvolle und wissenschaftlich genaue Veröffentlichung vorgelegt, die die aktuellen Probleme der Insekten beleuchtet und die Nachahmer sowie einen Platz im Regal von Schmetterlingsliebhabern, Land- und Forstwirten, Naturschutzbehörden, Lehrenden und Hochschulen finden sollte. Eine weite Verbreitung ist dem Werk zu wünschen und der Preis sollte Interessenten nicht abschrecken.

Dr. Timm Karisch - Kustos

Museum für Naturkunde und Vorgeschichte
FACHBEREICH WIRBELLOSE
Askanische Straße 30-32
06842 Dessau-Roßlau